Mascha Kalékos Hoffnung auf Heimat und einen Platz in der deutschen Literatur
„Hab das Gefuel, dass es hier entweder Krieg oder Vorkriegszeit gibt. Jetzt ist mal die Vorkriegszeit wieder dran…“, schreibt Mascha Kaléko aus Hamburg an ihren Mann Chemjo Vinaver in New York. Trotzdem ist sie nach 18 Jahren im Januar 1956 nach Deutschland zurückgekommen, denn wie es in einem ihrer Gedichte heißt: „Mein Heimweh heißt Savignyplatz“. Die Minetta Street, so die Dichterin, sei nur „Ersatz“.
Sie ist vorsichtig im Land der „Täter“. Aber es passieren tatsächlich Wunder, so wie sie es erträumt hat. Sie wird im Rowohlt Verlag vom alten Rowohlt willkommen geheißen, wird in der Szene herumgereicht. Der vor dem Verbot 1933 so kurzlebig publizierte Gedichtband „Das lyrische Stenogrammheft“ wird wieder aufgelegt. Sie hat Erfolg und schwebt über den Wolken, reist nach München, Stuttgart, Frankfurt. Aber erst spät traut sie sich in ihre Heimatstadt Berlin, aus der sie 1938 flüchten musste. Nicht alles ist so rosig, wie es zu Beginn der Reise schien. Es gibt sie noch zahlreich, die Unbelehrbaren, die ihr Angst machen. Sie denkt an Abreise. Aber ein neues Wunder geschieht. Sie findet ihre lange in der Sowjetunion verschollene Schwester Lea wieder und ist glücklich, denkt ans Dableiben. Doch Rückschläge kommen: Es gibt keine zweite Auflage des „Stenogrammhefts“. Die Literaturszene möchte mit Emigranten nichts zu tun habe, lieber eine „Stunde Null“ verkünden und die Vergangenheit vergessen. Einen ehemaligen SS-Offizier in die Jury des Fontane-Preises zu berufen – anscheinend kein Problem. Wunder und Enttäuschungen wechseln sich ab.
Volker Weidermann erzählt sehr kurzweilig, subjektiv und einfühlsam, sozusagen aus der Position eines Verehrers, von Mascha Kalékos Leben, vom Anfang in Galizien bis zum bitteren Ende in Zürich. Im Mittelpunkt steht aber die Reise 1956, die sie mit so viel Hoffnung auf einen Neuanfang, auf Erfolg und auf ihren Platz in der deutschen Literatur antrat. Grundlage sind die unzähligen Briefe, die sie während der Reise an ihren Mann schrieb. Eingearbeitet sind viele Gedichtauszüge und Gedichte Kalékos. Nebenbei erfährt man eine ganze Menge über ihre Erlebnisse im Literaturbetrieb Westdeutschlands.
Ein Vergnügen für alle, die ihre Gedichte mögen und alle, die sich für die Literatur der Emigration interessieren!
„Das Jahr 1956 war ein Rausch gewesen, aus dem Nebel längst vergangener Zeiten war der Mensch wieder aufgetaucht, der sie einmal gewesen war. […] Mascha Kaléko ist im Jahr ihrer wundersamen Rückkehr nach Deutschland bei all dem Glück, das sie erfahren hat, auch ihr Unglück noch einmal mit besonderer Drastik vor Augen erschienen. Ihr verlorenes Leben.“
Vielen Dank an www.kiwi-verlag.de für das Rezensionsexemplar!

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